Berichte von Piloten

Polen – ein (noch) unentdecktes Reiseziel

Am 22.9.13 ging es morgens früh los (sollte es zumindest). Jörg´s R90 stand noch im Melle, so habe ich ihn erst mal dorthin gebracht und bin dann nach Felde zurück, um Klaus aufzunehmen. Gemeinsam ging nicht, da die Tanks schon bis Unterkante voll waren. Flugplan aufgegeben (ist aber nur Pflicht, wenn man in kontrollierten Luftraum will, sonst nicht). Bei CAVOK sind wir gegen 10 Uhr gestartet, vorbei an Hamburg bis Heringsdorf. Dann der Kontakt zu Gdansk (Danzig) Information. Ein klares, freundliches und einfaches Englisch, gute Informationen. Der Flug ging entlang der Küste bis Mielno und dann auf 70° Richtung KRT-VOR. Bei Sierra Umschalten auf Gdansk Tower, Anflug bei einem kleinen Regenschauer auf die 29.

Wer sich die PIREP´s bei www.eddh.de durchließt, findet wenig schmeichelhaftes über Danzig. Man ließt viel über Willkür und “Abzocke”. Dieses müssen zumindest wir widersprechen. Sehr freundliche Leute, Landegebühr 23 €. Man sollte aber gleich sagen, dass man keinen Handling Agent benötigt, dieser soll über 75 € kosten. Die kurzen Wege kann man getrost zu Fuß machen, muß aber darauf achten, dass man beim Verlassen einen “Passierschein” bekommt. Da es kein GAT gibt, wie wir es kennen, geht man beim Eintritt durch den öffentlichen Bereich. Und genau dafür ist der Passierschein. Ohne ihn wird es dauern, siehe PIREP.

In Danzig trafen wir dann Jörg´s Freund Jurek. Eigentlich heißt er Jerzy, aber, wie er uns später aufklärte, werden alle mit diesem Vornamen Jurek gerufen. Jurek ist Unternehmer aus Warschau. Wir fahren gemeinsam ins Hotel, welches sich als sehr komfortabel erweist. Ein kurzes Frischmachen und dann in die Stadt zur Stadtführung. Zwischendurch setzt etwas Regen ein und wir gehen erst mal in ein Restaurant. Die nächste Überraschung: Die Speisekarte ist auf polnisch und deutsch. Ich bitte Jurek, für mich mit zu bestellen, da ich immer gern regionale Spezialitäten den Pizzen und Pommes Vorzug gebe. Ein wirklich leckers Essen und dazu – Wodka.

Anschließend bummeln wir durch die Altstadt und finden auch einen Fremdenführer. Auf heruntergehandelten 25 € sind wir dann in einer Art Golfwagen mit Führer durch die Stadt. Hierbei haben wir auch die alte Lenin-Werft gesehen, wo einst 1980 die polnische Streikwelle begann und jetzt aus alten Schiffstahlplatten ein Museum entsteht. Wir waren alle sehr überrascht über die Freundlichkeit und Sauberkeit in der Stadt. Abends dann noch ein kleiner Absacker in der Hotelbar.

Am nächsten Morgen nach dem Auschecken im Hotel ging es zum Airport. Nach dem Check-in wurden wir diesmal mit dem PKW zur Flugabfertigung gebracht. Die nette Dame hat unsere Flugpläne ausgefüllt und aufgegeben (wir starten ja im kontrolliertem Luftraum), eine andere nette Dame hat uns dann eine umfassende Wetterberatung gegeben und wir haben unser Gepäck 200 m weiter zum Flieger gebracht. Der Wind hatte sich gedreht und der Abflug ging über die 11 direkt über die Stadt zu KMI-VOR – traumhafte Sicht.

Auf der nächsten Etappe wollten wir Luftbilder von uns machen. Es hat geklappt. Nächstes Ziel war Ketrzyn (EPKE). Unlängst hatte das Fliegermagazin darüber berichtet. Wer es gelesen hat – der Bericht stimmt. Über Funk hat sich zwar niemand gemeldet, aber einfach runter. Dafür ein netter und freundlicher Empfang. Und alle sprachen deutsch oder englisch. Wir bestellten uns ein Taxi und fuhren zur Wolfsschanze – für die Unkundigen: dort fand das missglückte Attentat auf Adolf Hitler durch Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg statt. Eine beeindruckende und gleichzeitig beklemmende Kulisse. Wer wie wir dachten, dass da nur ein Bunker steht, der hat sich getäuscht. Es handelt sich um eine Stadt aus Bunkern. Hitlers alter Bunker seht noch, innen zerbommt, aber die Größe erhalten. Die Wände sind aus 8 Meter dickem Stahlbeton. Dieses und vieles mehr wissen wir durch einen Fremdenführer, den wir uns anheuerten.

Zurück auf dem Flugplatz freundliche Verabschiedung, ein Flug über die Wolfsschanze (die aber im Wald kaum sichtbar war) und weiter in 600 ft über Grund nach Mazury Residenze, südlich von Gizycko. Ein Grasplatz 700m Länge,  50m Breite, Elev 410 ft/MSL, Rwy 11/29,  geplanter Jachthaften, eine Siedlung mit Wohnhäuser höherer Ausstattung, teilweise mit Seeanbindung, Golfplatz in Planung – und alles bewacht durch Sicherheitsdienst.

Wiederum Taxi bestellt und in den Ort. Dort besuchten wir ein Reisebüro, welches für das R90-Treffen ein paar organisatorische Dinge durchführt. Anschließend ins Hotel. Ein Traumhotel, 4*, Schwimmbad, Spa, Kegelbahn, Restaurant. Freundliche Leute, saubere Zimmer. Nach dem Frischmachen erst mal ein Bier auf der Restaurantterrasse und dann das Essen – lecker. Ich hab mich einfach wieder an Jurek´s Empfehlungen gehalten. Der Abend war ja noch nicht zu Ende, ein Verdauungsspaziergang zum Jachthafen, dort noch ein bischen in einer Open-Air-Musik-Kneipe am Hafen getrunken und mit Taxi wieder in Hotel. Nach zähem Verhandeln umgerechnet 1,25 € (für alle zusammen).

Am nächsten Morgen nach einem schönen Frühstück mit Taxi zum Flugplatz. Ein kleiner Schlenker über den größten der Masurischen Seen nach Gryzliny, ein riesiger Grasplatz südlich von Olsztyn. Dort mussten wir tanken. Tipp an dieser Stelle: Vorher polnische Währung besorgen, der interne Umrechnungskurs in Euro macht den Sprit 40 ct/Ltr teurer. Danach mit 7 Minuten Flugzeit nach Olsztyn-Dajtki (EPOD), ein schöner Platz mit fester Bahn und viel Flugbetrieb (aber leider ohne Tankstelle – diese soll aber im nächsten Sommer da sein). Auch hier wurden wir von einem anderen Freund von Jörg und Jurek nach Hause zum Kaffee/Kuchen eingeladen.

Auf dem Flugplatz kam nun der Abschied von Jurek, er ist ab hier mit dem Zug zurück nach Warschau, Jörg ist über Heringsdorf und Helgoland zurück und wir nahmen die Route über Posnan (Posen) und Berlin zurück nach Westerstede-Felde.

Fazit der Reise:

  • Wenn man dieses Land bereist, sollte man alte Klischees spätestens an der Grenze zurücklassen und allen Leuten offen und freundlich gegenübertreten. Dann erfährt man die wahre, polnische Gastfreundschaft. Freundlichkeit ist aber nicht mit fehlenden Geschäftssinn zu verwechseln. Handeln und Feilschen ist erlaubt und wird auch erwartet. Nur der unkundige Tourist feilscht nicht und zahlt brav den genannten Preis. Jedoch an wenigen, offizellen Stellen ist feilschen zwecklos.
  • Keine Angst vor der Sprache. Die polnischen Controller sprechen ein klares Englisch. Auch auf den kleinen Plätzen wird englisch oder auch deutsch gesprochen. Und das ruhig und klar verständlich.
  • Keine Angst vor dem Luftraum. Die FIS-Frequenzen sind nicht so überladen wie die deutschen FIS-Frequenzen. Manchmal hatten wir den Eindruck, allein darauf zu sein. Gdansk Information hat uns beiden R90 Piloten sogar die jeweilig andere Position als Info angesagt. Auch die vielen D,R+P-Räume sind ebenfalls kein Hindernis. Im Internet gibt es eine interaktive Seite, die zur jeweiligen Zeit in der jeweiligen Höhe angibt, was aktiv ist. Davon sollte sich die deutsche Flugsicherung mal eine Scheibe abschneiden. Der Link hierzu befindet sich im Mitgliederbereich.
  • Nicht genug Flugplätze? Irrtum: Es gibt es ein dichtes Netz an Flugplätzen, die privat sind und auf keiner Karte stehen. Aber auch hier gibt es eine Internetseite über die Lage, Koordinaten, Kontaktmöglichkeit und Anflugverfahren. Auch dieser Link ist im Mitgliederbereich.
  • Avgas: Vorsicht, nicht jeder große Platz Platz hat automatisch Treibstoff. Vorher unbedingt anrufen und auch nach dem Preis fragen. Zahlung möglichst in polnischer Währung, da der Umrechnungskurs mehr als ungünstig ist. Wir haben in Gryzliny in polnischer Währung umgerechnet 2,37 € gezahlt, bei einem anderen Platz, bei dem ich vor der Reise angefragt hatte, wurde mir schon am Telefon der Preis von 3 € genannt.
  • Die gleiche Tour nochmal? Auf jeden Fall! Wir werden dieses 2014 als Gemeinschaftstour mit dem Fliegerclub so oder so ähnlich organisieren.

Harm